Mentoring, reverse
Inhalt
1. Herkunft
Mentor, eine mythologische Gestalt Homers, ist der gute alte Freund Odysseus. Als dieser in den Krieg gegen Troja zieht, übergibt er seinen Sohn und seinen Hausstand an Mentor, damit dieser über beides wacht und den Sohn in wichtigen Fragen beraten kann.[1]
Damit ist Mentoring ein sehr alter Begriff, der jedoch in der heutigen Zeit eine weitreichende Renaissance erlebt.
2. Bedeutung
Vera Richert beschreibt Mentoring als eine Komponente Individuellen Wissensmanagements, das neben Weiterbildungen und Studium das lebenslange Lernen unterstützt.[2]
Seit geraumer Zeit gibt es jedoch vor allem im Bereich der Wirtschaft ein Modell, das den Lernprozessen im Unternehmen eine neue Möglichkeit bringt, Wissen zu generieren und abzufordern. Gleichzeitig schont es Ressourcen und ermöglicht es dem Einzelnen, seine Stärken im Unternehmen noch besser zum Tragen zu bringen. Diese neue Form wird als Reverse Mentoring bezeichnet.
Bei diesem Konzept werden die Beziehungen zwischen Mentor und Mentee dupliziert.
Ausgangspunkt war, die Beziehungen von Mentor und Mentee umzudrehen. Nicht der erfahrene Mitarbeiter oder auch Vorgesetzte gibt sein Wissen und seine Erfahrungen an den (neuen) Mitarbeiter weiter, sondern der (neue) Mitarbeiter bringt sein Fachwissen, seine Kenntnisse und seine Perspektiven in die Beziehung ein – unabhängig von seinem Alter. Auf diese Weise haben beide die Möglichkeit, den jeweils eigenen Horizont zu erweitern. Somit können kulturelle Veränderungen in Organisationen gefördert und auch die Zusammenarbeit zwischen den Generationen verbessert werden.
Gerade in der heutigen Zeit des exponentiellen Wachstums an Wissen, vor allem im Bereich der Kommunikationstechniken fällt es der jüngeren Generation meist leichter, sich einzudenken, damit zu experimentieren und neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Damit kann die ältere Generation davon profitieren und sich wesentlich schneller diese medialen oder auch Kommunikationstechniken aneignen und sie im Arbeitsalltag nutzen.
Noch interessanter wird es jedoch, wenn dieses Konzept in beide Richtungen geöffnet wird, wenn also beide Partner sowohl Mentor als auch Mentee sein können, sich darauf einlassen und schauen, was sie vom Anderen lernen können. Gerade im Generationsübergreifenden Arbeitsbereichen kommt es damit zu einem neuen und mehr wertschätzenden Umgang miteinander. Beide Seiten wissen, dass sie Kenntnisse und Kompetenzen besitzen, die für den Anderen von Bedeutung sind und gleichzeitig haben sie auch die Möglichkeit von den Erfahrungen, und den Ressourcen des Anderen zu partizipieren.
Dieses Lernen voneinander auf Augenhöhe und in gegenseitiger Achtung wird nun zu einem innovativen Ansatz, der dazu beiträgt, dass Unternehmen, und nicht nur diese, flexibler, anpassungsfähiger und auch wettbewerbsfähiger werden.
In einer Zeit des massiven Wandels der Lern-, Lebens- und Arbeitswelt gilt dies auch für alle Bildungsinstitutionen, Schulen und sonstige Einrichtungen.
Autor
Dr. Ria Nolte
Dr. Ria Nolte ist Lehrerin, Podcasterin und Bildungscoach. Sie macht Kleinen und Großen Mut, ihre Stärken zu finden sowie stolz ihr Leben zu gestalten.
Literaturangaben:
[1] Vgl. Höfer, Otto (1897): Mentor 1. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,2. Leipzig. Sp. 2801; Scherling, Karl (1931): Mentor 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XV. 1. Stuttgart. Sp. 963 f.
[2] Vgl. Richert, Vera (2006): Mentoring und lebenslanges Lernen. Individuelles Wissensmanagement im Informationszeitalter. Saarbrücken.