Stress & Stressmanagement
Stress ist eine weit verbreitete Ursache für Krankheiten. Sie kann z. B. durch Angst entstehen und führt auf Dauer zu Krankheitsbildern wie Burnout und Depression. Dabei ist Stress erst mal nicht grundsätzlich negativ oder ungesund. Stress in ausgewogenem Maße ist sogar zwingend notwendig, auch für die Leistungsfähigkeit. Es stellt ein wichtiges Konzept für Leben, Glück und Gesundheit dar. Erst zu viel Stress, genauso wie zu wenig Stress kann auf Dauer die Gesundheit beeinträchtigen. Es ist also eine Frage von Zeit, Form und Dosis.
1. Zusammenhänge verstehen
Stress ist von besondere Bedeutung für unser Gehirn, da es hierbei im Grunde genommen um das Überleben geht. Und unser Gehirn ist schließlich auf die Existenzsicherung programmiert. Einfach ausgedrückt ließe sich sagen, dass Stress nichts anderes als das Auftreten von Herausforderungen bedeutet, die uns zwingen zu reagieren, damit unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit, unsere Fortpflanzungsfähigkeit und schließlich unser Leben und das unserer Art nicht in Gefahr geraten.
Aber dann dürfte das alles doch gar kein Problem sein, oder? Denn wie oft befinden wir uns denn tatsächlich in der Situation, dass quasi Leib und Leben in Gefahr sind? Zumindest begegnet uns wohl kaum wirklich eine Situation, in der uns z. B. ein Löwe in der freien Natur begegnet und unser Überleben bedroht.
Einer der großen Nachteile des Stressphänomens und seiner Verankerung im Gehirn ist, dass wir uns den Stress im Kopf auch selber machen können und das ganz offensichtlich auch tun. Ob durch Fernsehen, Social Media, Nachrichten oder Konflikte im privaten und beruflichen Bereich: Es geht irgendwie immer um Kopf oder Fluch – quasi der Feind in meinem Kopf.
Das Problem dabei ist, dass die Prozesse, die in der unteren limbischen Ebene stattfinden, unbewusst stattfinden und nachgelagerte Reaktionen nicht unterscheiden können, ob uns wirklich gerade jemand mit der Waffe bedroht oder es nur um ein Haar in der Suppe geht.
Da eine solche feine Differenzierung nicht möglich ist, gilt immer: Kampf oder Flucht – Lebe oder stirb!
Vor diesem Hintergrund müssen die Stressreaktionen schnell und mit voller Kraft ausgelöst werden, denn nur das allein bringt den Überlebensvorteil. Und so bricht eine Art Vulkan aus, wir können kaum noch eingreifen, haben wenig bis keine Kontrolle mehr – Und das Ausmaß des Ausbruchs und der Zerstörung wird uns erst hinterher bewusst. Bleibt oft nur noch das Aufräumen, um die Spuren der Zerstörung wieder zu beseitigen.
Wenn wir uns immer und immer wieder den Stress selbst machen, aus einer Dauerschleife nicht mehr rauskommen, ständig den Feind im Kopf zulassen – dann wirkt es sich über die Zeit gesundheitlich negativ für uns aus.
Doch sind es nicht nur Emotionen wie Angst, die Stressreaktionen auslösen. Verschiedene Hirnforscher, wie Prof. Dr. Tobias Esch und sein Team zeigen angelehnt an Forschungsergebnisse im Bereich der Neuroscience auf, welche Faktoren das sind und was konkret wir im Sinne des Stressmanagements tun können, um den Stresspegel in unserem Körper zu regulieren. Gerne greife ich in diesem Zusammenhang das von Esch entwickelte BERN-Konzept auf, da es sich wie eine Art Rezept zum Stressmanagement darstellt und uns eine gute Orientierung gibt, um die in der Forschung gewonnen Erkenntnisse in unseren Alltag zu transferieren.
2. Das BERN-Konzept
BERN ist ein Akronym und steht im Englischen für die Begriffe Behaviour (Verhalten), Exercise (Bewegung), Relaxation (Entspannung), Nutrition (Ernährung). Diese Begriffe sind für das Stressmanagement zentral, da es sich hierbei um Faktoren handelt, die Einfluss auf den Stresspegel in unserem Körper haben. Wollen wir positiv auf diesen Spresspegel einwirken, empfiehlt Esch, uns an BERN wie folgt zu orientieren:
- B=Behaviour – positiv denken + handeln
- E=Exercise – 30 min. körperlich aktiv (tgl.)
- R=Relaxation – 20 min “innere Einkehr” (tgl.)
- N=Nutrition – mediterrane Kost
a) Behaviour – Verhalten
Im Bereich des Verhaltens lautet die Empfehlung: “positiv denken und handeln”. Damit ist nicht gemeint, sich Dinge, die schlecht sind, gut zu reden. Es geht um den Perspektivenwechsel: “Gab es trotz des Schlechten auch etwas Gutes?”, “Kannst du das Positive sehen, ohne das Negative zu disqualifizieren?”, z. B. durch Vergebung. Dazu gehören allerdings auch ganz konkrete Techniken der kognitiven Verhaltensänderung oder der so genannten kognitiven Restrukturierung, d. h. ich versuche mir in Stresssituationen zu überlegen: “Gibt es etwas, das ich lernen kann?”, oder “Kann ich eine Situation auch anders sehen?”, “Habe ich eine kognitive Verzerrung?”, “Übertreibe oder untertreibe ich?”, “Nehme ich Dinge über die Zukunft an, ohne sie wirklich voraussagen zu können?”
b) Exercise – Bewegung
Im Bereich der Bewegung lautet die Empfehlung: “täglich 30 min. körperlich aktiv sein”, denn inzwischen lässt sich das Maß an Bewegung relativ genau bemessen, das ich brauche, um Stress zu reduzieren, also für den Teil, den ich selbst beeinflussen kann, um gesundheitsförderlich wirksam zu sein. Optimal sind 30 min. am Tag.
30 min. am Tag übersetzt sich in eine Investition von etwa 250 kcal pro Tag in Sport, d. h. ungefähr eine halbe Stunde zügig Walken oder leichtes Joggen, Fahrradfahren, bei Gartenarbeiten brauche ich etwas mehr (das sind so 100-150 kcal pro halbe Stunde, da bräuchte es dann ca. 1 Stunde Gartenarbeit). Wieviel welche Tätigkeit ausmacht, lässt sich im Manual Stressbewältigung von Esch nachlesen. Ist aber nicht so wichtig, in diesem Zusammenhang exakt zu sein. Wichtig ist vielmehr, hier jeden Tag in etwas zu investieren, was sich anfühlt wie Bewegung.
Dass es sich anfühlt wie Bewegung ist deshalb wichtig, weil z. B. der Postbote berufsbedingt weit mehr als 10.000 Schritte läuft. Grundsätzlich ist Bewegung immer gut, aber es macht einen Unterschied, ob ich das gedanklich auch meinem Bewegungskonto einzahle, also ob ich mich als ein sich bewegender erlebe.
Ob wir die 30 min. am Stück machen oder die Zeit in kleine Einheiten aufteilen, ist dabei irrelevant (alles ab 1 min. wirkt bereits). Wichtig ist, die in Summe 30 min. täglich an fünf Tagen der Woche zu machen. Das sind dann 150 min. als wöchentliche Dosis. Oder aber ich kann die 150 min. auch am Stück machen, also z. B. 1x pro Woche am Wochenende.
Entscheidend ist nur: Länger aufsparen als eine Woche kann man es nicht, also über eine Woche aufsparen funktioniert nicht.
Hinweis: Sitzen ist ein eigenständiger Risikofaktor. Deshalb ist Bewegung das eine. Und nicht mehr so lange sitzen, ist das andere. Wir sollten in der Regel alle halbe Stunde für 5 min. aufstehen. Wenn du also viel sitzt, nutze etwas, das dich alle 30 min. daran erinnert, für 5 min. aufzustehen, z. B. eine Sanduhr, die 30 min. zum Durchlaufen braucht.
c) Relaxation – Entspannung
Im Bereich der Entspannung lautet die Empfehlung: “täglich 20 min. innere Einkehr”. Auch hier muss die tägliche Entspannung bzw. “innerer Einkehr” nicht am Stück erfolgen, sondern lässt sich auch in kleinere Einheiten aufteilen (alles ab 3 min. wirkt).
Es ist allerdings sehr hilfreich, wenn ich mindestens 1-2x die Woche Phasen habe, in denen ich 20 min. am Stück mache und dabei nicht schlafe. Denn wenn ich dann kurze Phasen der Entspannung bzw. inneren Einkehr habe, erinnert sich mein Gehirn an diesen Zustand (Placeboeffekt) und ich kann in diesen inneren Versenkungszustand gehen.
Diese 20 min. am Tag lassen sich auch mit der Bewegungseinheit kombinieren. So kann man z. B. beim Sport gleichzeitig auch in die Entspannung gehen. Es kann allerdings sein, dass die Selbstreferenz (ein Gefühl des in sich zu Hause zu sein) bei der Kombination nicht so gut funktioniert. Wem es es jedoch gelingt, kann es gerne auch kombinieren und damit quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
d) Nutrition – Ernährung
Im Bereich der Ernährung geht es um Genuss und mediterrane Kost im weitesten Sinne, also eine gesunde Ernährung, die weniger auf tierische als auf pflanzliche Lebensmittel zurückgreift. Es ist relativ einfach, sich eine basale gesunde Ernährung zusammenzubasten und unter dem Stichwort “mediterran” ist man schon ziemlich nah dran. Zentrale Stichworte sind “mediterran” und “genießen” sowie “längere Phasen der Nahrungskarrenz” (Verzicht auf Nahrung für eine bestimmte Zeit). Im Umkehrschluss ist es nicht so schlimm, mal viel zu essen (solange wir nicht stopfen), aber bewusst Phasen des Nichternährens ist der Aspekt, der uns entlastet. Ob das jetzt 16:8, 12:12, 18:6 ist, ist nicht so wichtig, wobei 12:12 für die meisten Menschen im Alltag viel besser praktikabel ist, damit ist gemeint: 12 Stunden nicht essen und 12 Stunden essen.
Fazit
Stress ist nicht per se gut oder schlecht. Wir brauchen ihn sogar – zur richtigen Zeit, in der richtigen Form und in angemessener Dosis. Umso wichtiger die Hintergründe zu verstehen und wissenschaftlich valide Konzepte, wie BERN für sich zu nutzen, um den Stresspegel im Sinne des Stressmanagements auf verschiedenen Bereichen der Stressachsen zu regulieren.
FAQs
1. Welche Wirkung hat Comfort Food oder Fast Food auf den Stresspegel?
In Beziehung auf Ernährung und Stress kann man sinngemäß sagen: Um die Stresshormone aufzubauen, brauche ich Botenstoffe, die Stresshormone bauen, Aminosäuren, Baustoffe für Stresshormone. Die finden wir vor allem in tierischer und entzündungsförderlicher Kost. Kost, die mich in Kämpfen und Fliehen bringt. Energie. Comfort Food. Fast Food. Kurzkettige Fette. Schnellverfügbare bzw. aufbaubare Aminosäuren, die Stresshormone bilden.
Sehr vereinfacht gesagt, ist die Mediterrane Kost hierzu die Kost mit gegenteiliger Wirkung, d. h. ich baue weniger Stresshormone auf. Hier ist der Mechanismus im Grunde genommen: Ich führe dem Körper weniger Stressenergie zu durch weniger Comfort Food und weniger Fast Food, stattdessen eher komplexe Lebensmittel, d. h. ich biete nicht so schnell Energie an, die dann abgearbeitet werden möchte und es werden weniger Stresshormone gebildet.
Wen das Thema “Was passiert im Gehirn mit dem Belohnungssystem im Kontext mit Ernährung?” interessiert, kann sich hierzu die Arbeit von Esch “Die Neurobiologie des Essens” in ResearchGate anschauen.
2. Inwiefern hilft mir BERN, den Stresspegel zu regulieren?
Im Bereich der Ernährung werden durch die Mediterrane Kost weniger Stresshormone aufgebaut.
Im Bereich der Entspannung ist es nicht so, dass durch die innere Einkehr weniger Stresshormone gebildet werden, sondern sie sind weniger wirksam am Rezeptor, d. h. bei der Entspannung mache ich mich etwas weniger Empfindlich für die Stresshormone, für die Neurotransmitter.
Durch die Bewegung baue ich die Stressenergie ab, verfrühstücke sozusagen die Hormone, die Energie, also praktisch das Gegenteil von dem, was Fast Food mit uns macht.
Im Bereich des Verhaltens reagiere ich mit den kognitiven Techniken quasi von vorne, das ist sozusagen die Königsdisziplin, denn ich komme gar nicht erst so stark in den Stressmechanismus hinein.
Damit arbeiten und wirken alle 4 Bereiche des BERN auf einer unterschiedlichen Ebene im Bereich der Stressachsen.